Hehn und seine Vierzehn Nothelfer (1): Mutter und Magd

Eine heimatgeschichtliche Plauderei von Helmut Köhnes

Quelle: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des "Rheindahlen Almanach '98"

Meine früheste Erinnerung an den Kirchplatz in Hehn bezieht sich nicht auf eine Maiandacht, sondern auf einen Maikäfer. Meine Mutter hatte mich zwar zum Beten hingeführt. Ich entdeckte aber auf einem mit weißem Kies bestreuten Weg das Krabbeltier, und es nahm mein Interesse ganz in Anspruch. Damals hatte ich die Kirche sofort aus dem Auge verloren. Inzwischen habe ich sie wiederentdeckt. 

Die Pfarre Hehn, die seit 1858 besteht, hat als Patrozinium ein Matrozinium: St. Mariae Heimsuchung. Diese Namensgebung kann nur dem Sorge bereiten, der das Wort "Heimsuchung" in seiner bedrohlichen Bedeutung sieht: Man kann von Krieg, von Krankheiten, von Feinden heimgesucht werden. Hier ist aber die positive Bedeutung gemeint. Maria sucht - so der Evangelist Lukas - ihre Verwandte Elisabeth heim. Bei diesem Besuch ist die familiäre Freude heilsgeschichtlich begründet: Elisabeth erkennt Maria als Mutter des Messias. 

 

Die Marienpfarren im Bereich Alt-Gladbachs deuten im Namen die Beziehung zu ihrer "Mutterpfarre" an. St. Mariae Himmelfahrt am Alten Markt heißt deswegen schlicht "die Hauptpfarre", weil von ihr als "Tochtergründungen" Obereicken, Lürrip, Venn und Hehn ausgingen. Neuwerk, ursprünglich auch eine Marienpfarre, nimmt eine Sonderstellung ein. Die Pfarrkirche in Hehn ist in ihrer heutigen Baugestalt im Jahre 1890 konsekriert worden. Lange vorher aber gab es im Ort bereits ein Marienheiligtum, und zwar im "Heiligen Pesch". Ein Pesch ist in unserem Mundartverständnis ein Feldgehölz. Das klingt für unsere Ohren recht harmlos. Immerhin aber bezeichnet es den ursprünglichen, nicht beackerten, nicht bezwungenen "Rest" des Landes. Kein Wunder, daß es darin oft unheimlich zuging. Gerade dort entdeckte nach einer Auffindungssage, deren Parallelen zu der entsprechenden Überlieferung von Kevelaer in die Augen springen, "in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Ackersmann namens Herx" ein Muttergottesbild, das sich alsbald als wundertätig erwies. Es ist längst verschollen. Das heutige Gnadenbild stammt aus dem vorigen Jahrhundert.
Hehn gehört also zu den zahlreichen Orten, in denen die Marienverehrung eine lange Tradition hat. Die "Frau, die Christi Mutter war", rührte hier wie anderswo "immer schon" die Herzen an, und das "in tausend Bildern". Wer Worte und Weise von "Meerstern, ich dich grüße" im Ohr hat, wer sich den anrührenden Klang von "Maria durch ein' Dornwald ging" vergegenwärtigt, der kann ein Lied davon singen.
So war es ganz konsequent, daß die Pfarre in den Jahren 1870 - 1871 vor der Kirche "an der Stelle mehrerer Vorgängerbauten" eine neue Gnadenkapelle errichtete.

 

Margareta
Schützt die bäuerliche Welt und ist die Behüterin der bäuerlichen Frauenwürde.

Darstellung:
Margareta von Antiochia mit Drachen, Kreuzstab mit Taube, Kreuz, Krone, Fackel

 

Kirchenlexikon
MARGARETA (auch: Margarethe, Margarete; gr. Marina ) Hl., Jungfrau und Martyrerin - Fest: 20. Juli ca. 290 Alexandrien (Antiochien?). - Aus vornehmer hellenistisch-ägyptischer Familie stammend, erregte M. als junges Mädchen die Aufmerksamkeit des römischen Stadtkommandanten ("consul") Olibrius. Als seine Avancen zurückgewiesen werden, entschließt dieser sich zur Gewalt, erfährt aber bald, daß der eigentliche Grund zur Verweigerung der unlauteren Beziehung M.s Christentum ist. Enttäuscht und in seinem Stolz verletzt, läßt Olibrius M. öffentlich foltern (schleifen durch Pferde, geißeln, glühende Eisen, Rad), wobei M. freimütig ihren Glauben bekennt. Als diese Zwangsmaßnahmen nichts helfen, wird sie in den Kerker von Alexandrien geworfen, wo Gefahren anderer Art auf sie warten: dämonische Versuchungen, Teufelsmanifestationen und -erscheinungen, wie sie auch der Hl. Antonius zu erleiden hatte. Das von M. hineingeschmuggelte Kreuz und ihr starker Glaube lassen auch diese abprallen. Am Ende seiner Geduld und angesichts der Standhaftigkeit M.s entscheidet sich Olibrius schließlich, M. durch das Schwert hinrichten zu lassen. Kurz vor ihrem Tode verspricht sie allen, die sie fürderhin in der Todesstunde anrufen werden, Befreiung vom und Sieg über den Versucher. - Seit frühester Zeit ist die ununterbrochene Verehrung der Hl.M. im griechischen Orient, v.a. in Alexandrien und Antiochien nachgewiesen, wohin die Reliquien überbracht worden waren (evtl. stammte sie auch daher). Seit dem 5. Jahrhundert hat sie dort ihr Fest am 17. Juli. Die Bedeutung des Kultes unterstreicht der Ehrentitel der «megalomartyr». Für den Westen weist Mabillon ihren Namen in Litaneien ab dem 7. Jahrhundert nach, Baronius ihre Verehrung durch die Langobarden. In Leyden ist ihr seit 966 eine Pfarrkirche geweiht. Ihr Leichnam wird 908 von Antiochien nach Italien überführt, zunächst nach S.Pietro della Valle am Lago Bolsena, 1145 findet er seine endgültige Kultstätte in Montefiascone. Bedeutende Reliquien gelangen von dort 1213 nach Venedig, was den Anspruch der Republik als erste auch geistliche Kraft des griechischen Ostens (nach dem Fall Konstantinopels 1204) unterstreicht. So taucht dieses Ereignis in italienischen Brevieren des Ma. als Fest der «Translatio S. Margaretæ» auf, interessanterweise unter dem 17. Juli, dem östlichen Festtermin. Alphanus, erster Erzbischof von Salerno, verfaßte den Festhymnus. Die Altarweihe der Kirche in Montefiascone erfolgte 1262 durch Papst Urban IV., unter Anwesenheit zahlreicher Cardinäle, (Erz-)Bischöfe und Cleriker, 1376 die Schlußweihe mit Erhebung zur Cathedrale durch Gregor XI. 1222 taucht der Namen M.s in den Akten des Conzils von Oxford auf, spätestens ab dieser Zeit gilt sie als eine der Hauptheiligen und Schutzpatrone Englands und der englischen Monarchie, gemeinsam mit dem Hl. Georg (Drachenmotiv!), das Breviarium ad usum eccl. Sarum. (Salisbury) hat ihre ganze Passio. Bereits 1300 ist ein Kloster S. Margarita in Cassia (Umbrien) nachgewiesen, seit dieser Zeit findet sich St.M. immer häufiger in Eigenbrevieren der Prämonstratenser und Benediktiner. 1288 stiftet Nicolaus IV. S. Margherita in Trastevere (Umbau 1678-80 durch Carlo Fontana im Auftrag Card. Girolamo Gastaldis). 1522 findet sich das erste gedruckte Meßformular der Heiligen im Missale Mediolanense, 1554 auch in Verdun, beidemale als Vollmesse mit Eigenpräfation. Reliquien im Hl. Römischen Reich sind v.a. in Köln und Anderlach (heute Belgien) nachweisbar. 1608 stiftet Königin Maria de' Medici, Gemahlin Heinrichs IV. von Frankreich, die berühmte Silberstatuette der Heiligen nach St-Germain-des-Prés. In Paris befanden sich außerdem Teile des Hauptes bis zur Revolution im Frauenkloster Sainte Claire. 1670 erhielt ihr Kult einen erneuten Aufschwung durch die zahlreichen, z.T. aufsehenerregenden und belegten Wunder während des Dombrandes in Montefiascone, woraufhin die jährliche Reliquienprozession gelobt wurde. - In Ausschmückung der Begegnung M.s mit den manifesten Mächten der Finsternis finden sich bald, noch in der Spätantike, Erzählungen von der Begegnung mit einem Drachen, zunächst noch im Kerker, dann auch im Freien, sogar angebunden an einen Felsen in Anlehnung an heidnische Mythen. Eine erste Zusammenfassung dieser verschiedenen Überlieferungen stellt Theotinus' sog. "Passio S. Margaretæ" dar. Im Ma. kommen Ergänzungen hinzu, v.a. die berühmte Geschichte des Verschlucktwerdens durch den Drachen, aus welch mißlicher Lage sich die Heilige aber durch ihr mitgeführtes Kreuz durch Ausgespucktwerden wieder befreien konnte (typisch (spät-)mitelalterliche Uminterpretation des Kerkerraumes in einen Drachen, also räumliche Ausdehnung des Bösen, der Teufel tritt nicht mehr von außen an den Menschen bzw. die Seele heran, man ist in ihm gefangen, diese Meinung noch so bei den Reformatoren - es bleibt aber das Kreuz als Siegeszeichen). Durch den so erfolgten glücklichen (Wieder-)Austritt aus dem Inneren des Ungeheuers ("partus") wurde sie zur Schutzpatronin der gebährenden Frauen bzw. werdenden Mütter in schwierigen Schwangerschaften. All diese, z.T. dann im späten Ma. phantastischen Erweiterungen bewahren stets ein Quäntchen der eigentlichen Geschichte, um es dann dem Volksgut plastisch-drastisch einzuverleiben. Eine ganz andere Orientierung erhält die M.-verehrung durch die Hl. Johanna von Orléans (Jeanne Arc), wo die frühchristliche Heilige zu einer der «voix célestes» und Führerinnen der Jungfrau in ihrem Kampf um Befreiung und Heiligung der französischen Monarchie wird. Dieser komplexe theologische Sachverhalt wurde während der Rehabilitaion der Pucelle und v.a. anläßlich der Heiligsprechung 1926 kirchlicherseits anerkannt. Im religiösen Brauchtum zählt M. darüber hinaus zu den Vierzehn Heiligen Nothelfern. Sie wird angerufen - außer den bereits geschilderten Zuständigkeiten - gegen Unfruchtbarkeit, aber auch bei Gesichtsverletzungen und -krankheiten, wohl wegen der vor dem Tode erfolgten Ganzkörpergeisselung. Ihre Verheißung bzgl. der Todesstunde (s.o.) hinterließ Spuren in der christlichen Spiritualität (am bekanntesten die letzten Anrufungen Jeanne Arcs). - Zu den berühmtesten Darstellungen der Heiligen, meist mit Drachen/Teufel zu Füßen und einem Kruzifix in der Hand, gehören ein Jugendwerk Raffaels (heute im Louvre), ein Altarbaltt U. Loths in der Münchner Frauenkirche (Domkirche zu Unserer Lieben Frau), hier in interessanten "englischen" Verbindung mit der Georgslegende, und das Hochaltarbild "Santa M. in carcere" Giacinto Brandis in S.Margherita in Trastevere (wohl am nächsten an der historischen M.). - Ohne Zweifel ist M. eine der bedeutenden Heiligengestalten der Gesamtkirche, gerade durch ihre Verehrung in den beiden großen christlichen Hemisphären und durch die lange gesicherte Kulttradition. Weiteren Aufschwung (neben der Erhebung zur englischen Nationalheiligen, ihrer Bedeutung für die Republik Venedig und das Königreich Frankreich, s.o.) erhielt der M.kult durch die Verehrung im vornehmlich spanischen Zweig des Hauses Habsburg. Außerkirchlich trug der Faustepos mit M. als reiner Gestalt gegen die finsteren Mächte Mephistos nicht wenig zur Popularität des Namens bei, besonders durch die Fassungen J.W. von Goethes und die Vertonungen des 19./20. Jhds (Gounod, Berlioz, Busoni). Umso unerklärlicher erscheint die in einer Anmassung ohnegleichen vorgenommene Streichung aus dem römischen Calendarium 1969 ohne Rücksicht auf kirchliche Traditionen und die päpstlichen Förderungen des M.kults. Die ideologischen Beschränkungen der strukturalistischen sog. historischen Kritik standen der an sich noblen Absicht entgegen, Wesentliches und historisch gesichert Überliefertes von evtl. Überwucherungen der Volksfrömmigkeit späterer Zeiten - etwa im Sinne einer wahren Reform des Heiligencalenders/Breviers - zu trennen. Wie die Namensstatistiken und ein Blick in die Volksfrömmigkeit des späten 20. Jhd. zeigen, hat die Hl. M. aber auch diese Krise überlebt.

 

 

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