Was macht eigentlich Wolfgang Löhr?

Geschichtsforschung muss nicht staubtrocken sein, sondern kann faszinieren. Der ehemalige Stadtarchivar Dr. Wolfgang Löhr beschäftigt sich seit 42 Jahren intensiv mit der Historie Mönchengladbachs und des Rheinlands. Er hat dabei mit Legenden aufgeräumt und manche Lücke geschlossen.

Seine Frau ist sein unbestechlicher Kritiker, „mein TÜV“, wie er es nennt. „Das versteht doch kein Mensch“: Diesen Satz Birgit Löhrs nimmt ihr Mann stets sehr ernst. Doch allzu oft hat sie ihn in den mehr als vier gemeinsamen Jahrzehnten nicht aussprechen müssen, wenn sie eine seiner zahlreichen Werke vor Drucklegung gelesen hat. Denn Dr. Wolfgang Löhr hat einen obersten Grundsatz: „Geschichte muss immer wissenschaftlich korrekt wiedergegeben sein, aber verständlich bleiben.“
 
Dokumente und Bücher sind sein Leben
 
5000 Bände füllen das Haus in Wolfsittard, etwa drei Kilometer lang sind mittlerweile die Akten-und Bücherregale im Stadtarchiv, das Wolfgang Löhr 1969 angelegt, bis 2003 gepflegt hat, und das heute auch etwa 80 000 Bilddokumente beinhaltet. Doch der langweilige Archivar, der sich hinter seiner Arbeit verkriecht, war Wolfgang Löhr nie. „Ich bin kein Kind von Traurigkeit“, sagt der 73-Jährige, der immer den Kontakt gesucht hat: zu den Leuten in der Verwaltung, zu Vereinen, Institutionen, den Bürgern in der Stadt.

Und der sich auf Karnevalsveranstaltungen ebenso gerne sehen ließ wie bei Borussia. Dabei stets auf der Suche nach Neuem, Unbekanntem. „Ich habe immer wissen wollen, wie es gewesen ist“, erklärt Wolfgang Löhr seine Leidenschaft für Geschichte, die er schon als Kind bei Besuchen seines Großvaters entwickelt hat. Ein „detektivisches Interesse, die historische Wahrheit aufzuzeichnen und mit Legenden aufzuräumen“ bescheinigt der Berufsarchivar, anerkannte Autor, beliebte Festredner und Hobby-Journalist sich selbst.
 
„Wolfgang Löhr war mit seinen weit gespreizten Interessen, seinem sehr großen Fleiß und dem mit der Muttermilch eingesogenen Interesse für die rheinische Geschichte ein Glücksfall für die Stadt“, sagt der damalige Kulturdezernent Dr. Busso Diekamp. Er hat den gebürtigen Viersener 1969 aus dem Bundesarchiv in Koblenz für die neu geschaffene Stelle des Facharchivars der Stadtverwaltung nach Mönchengladbach geholt. „Ich habe mir sehr gut überlegt, ob ich das Angebot annehmen sollte. Denn ich hatte in Koblenz bei einem der größten Archive Deutschlands eine sehr interessante Aufgabe“, erzählt Löhr.

Den Ausschlag gab dann „der Reiz, in Gladbach selbst etwas aufbauen, praktisch mit der Stunde Null anfangen zu können. Denn ein wirkliches Archiv gab es damals hier nicht“. So tauschte Wolfgang Löhr die Geschichte Deutschlands mit der des Rheinlands und speziell Mönchengladbachs. Und hat sie mit einer ungeheuren Akribie ebenso wie mit Begeisterung erforscht. Die von ihm herausgegebene und zum Teil auch geschriebene vierbändige große Stadtgeschichte mit weit mehr als 2000 Seiten entstand in zehnjähriger Arbeit; der letzte Band wurde erst nach seiner Pensionierung im Jahr 2003 fertig. Der Inhalt ist, wie es sich für Wolfgang Löhr gehört, verständlich, der Titel aber schon erklärungsbedürftig: „Loca Desiderata“.
 
Das ist Lateinisch, heißt ersehnte Gegend und bezieht sich auf die Gründungsgeschichte der Stadt: Der Kölner Erzbischof Gero und der Abt Sandrad stießen bei der Suche nach einem ihren Vorstellungen entsprechenden Ort für den Bau eines Klosters im Jahr 974 am heutigen Abteiberg auf einen Hügel und den kleinen Bach an seinem Fuße. Ein perfekter Ort – Loca Desiderata. Diese große Stadtgeschichte basiert wie die später erschienene kleine Stadtgeschichte und die Rheinischen Städteatlanten, die Löhr ebenso geschrieben hat wie das zweibändige „Mönchengladbach, so wie es war“ auf intensiven Recherchen in Originalquellen statt nur in Sekundärliteratur: in rheinischen Archiven ebenso wie im tschechischen Brünn. Er hat dabei Aktenmaterial eingesehen, das vorher kein Forscher zu Gesicht bekommen hatte.

So wurden Lücken in der Stadtgeschichte geschlossen, wurde mit Legenden aufgeräumt. „Da ist viel Freizeit draufgegangen“, sagt Löhr, der längst nicht nur Loca Desiderata ohne Honorar herausgab: „Ich sehe diese Arbeit als eine Verpflichtung, auch noch heute.“ Etwa zwei Dutzend Bücher hat Wolfgang Löhr herausgegeben oder geschrieben, darunter acht Rheinische Städteatlanten. 150 Aufsätze hat er veröffentlicht, Dutzende Buchrezensionen geschrieben, war auch immer wieder gerne gelesener Autor in dieser Zeitung mit flüssiger, allgemeinverständlicher Schreibe und viel Sinn für Pointen. Das Schreiben mag er auch mit nun bald 74 Jahren nicht lassen.
 
In die zehnmal im Jahr erscheinenden Akademischen Monatsblätter investiert er als verantwortlicher Redakteur viel Arbeit, ebenso in seine „Rheinische Adelsgeschichte“ oder immer neue Aufsätze, zum Beispiel auch das in dieser Woche vorgestellte Büchlein „Balderich und seine Kinder“. Hinzu kommen noch „Nachwirkungen“ seines vielseitigen Engagements in führenden Positionen bei berufspolitischen, wissenschaftlichen, studentischen und kirchlichen Institutionen.

Vier Stunden Arbeit am Tag kommen so immer noch pro Tag locker zusammen – werden aber nicht unbedingt als Belastung empfunden. Und es bleibt noch Zeit für die Arbeit im Garten, fürs Lesen („sehr gerne Krimininalromane“) und fürs Musikhören, daheim und im Konzertsaal: „Seit 1970 bin ich Abonnent beim Symphonierorchester.“ Langeweile kennt Wolfgang Löhr nicht. Nicht nur, weil Geschichte so spannend ist.

Quelle: RP-Online

Dr. Wolfgang Löhr hat auch bei der Pfarrchronik Hehn federführend einige Schätze gehoben.

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