Die Dichtung über die Entstehung des Wallfahrtortes Hehn-Heiligenpesch, Leonard Küppers (1896)
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- Veröffentlicht: Samstag, 01. Januar 2000 10:18
- Geschrieben von Ingo Lenzen
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In westlicher Richtung von Gladbach erreichen wir von Gladbach aus auf wohlgepflegter Kunststraße in Zeit einer kleinen Stunde das freundliche Dörfchen Hehn.
Die Ortschaft Hehn besteht seit altersher aus Gladbach-Hehn, wo der sogenannte Heiligen-Pesch liegt, und aus dem Hardter-Hehn, welches sich der Landwehr entlang auf Hardt hinzog. Die Landwehr, ein teilweise heute noch erhaltener Doppelwall mit tiefem Graben, zog sich stellenweise verschiedene Stunden, ja sogar Tagesreisen weit ins Land hinein und diente in unruhigen Zeitläufen als Festungswall gegen die Einfälle feindlicher Völker. Hier bei Hehn begrenzte er auch die ehemalige Herrschaft der Benedektiner-Abtei von München-Gladbach nach außen hin ab; bis hier, einschließlich Heiligen-Pesch, herrschte der Krummstab, bis dort war der Abt der Benediktiner-Abtei der Grund- und Gerichtsherr.
In Hehn, auf Wolfsittard zu, stand im frühesten Mittelalter ein schloßartiges Kastell, auf welchem die Herren von Häehn (auch Hein) hausten.
Ob der Name Hehn auch Haen von Hain herkommt oder von Heide (Hee, Hehn, plattdeutscher Ausdruck), Hain von Eichen und Buchenhain, darüber läßt sich wohl nicht viel sagen, jedoch glaube ich, daß es dort niemals mit Eichen- oder Buchenhainen weit hergewesen ist, da der Boden meistens dem Tannen- und Fichtenwald kaum die kärgliche Nahrung gibt und schwerlich schöner Hochwald dort gewesen sein wird, weshalb auch der Name wohl eher als von Haide (Hehn) herkommend, angenommen werden kann. Ich komme später noch darauf zurück.
Die Ortschaft Hehn war im Mittelalter schon bewohnt, denn im 13. Jahrhundert finden wir schon, daß der Abt des Konventes von Gladbach den Bewohnern von Hehn erlaubte, aus dem Kammerbusche, welcher Eigentum der Abtei war, den nötigen Bedarf an Brennholz zu entnehmen, was sonst streng verboten war, ein Beweis, daß der Abt den Bewohnern von Hehn sehr gewogen war.
Jahrhunderte gingen ins Land, doch Hehn behielt so ziemlich dasselbe Aussehen. Es wurde wenig angebaut. Die zerstreut wohnenden Leute waren recht fleißig und suchten dem Boden mit Gewalt die Früchte abzuringen; dabei waren sie nüchterne, sparsame und genügsame, schlichte und zufriedene Leute, fromm und bieder, hingen zäh am Althergebrachten und treu am katholischen Glauben, wohnten friedlich auf ihrer liebgewordenen Scholle.
Am Ende des Gladbacher Hehn lag ein kleines Gebüsch, der sogenannte Heiligen-Pesch. Hier standen keine hohen Bäume, meistens junger Buchenschlag, untermischt mit breitästigen Linden, welche zusammen ein kleines Dickicht bildeten. Der Heiligen-Pesch war ein stilles Gehölz und daher der Aufenthalt vieler Singvögel. Die Bezeichnung "Heiligen-Pesch" ist uralt. Der Volksmund erzählt darüber: "Vor vielen hundert Jahren habe man in den Peschen am Hehn, und zwar in dem kleinen Gebüsch, eine kleine klare Quelle sprudelnd gefunden, und in den Peschen habe man häufig Lichterscheinungen am Abend und in der Nacht beobachtet. Bei dem gläubigen Volke der dortigen Gegend war vor Jahrhunderten schon der Glaube rings umher verbreitet, der Pesch sei ein besonders dem lieben Gott angenehmer Ort, es sei ein heiliges Gebüsch, ein heiliger Pesch, und vieles wußten unsere Altvordern zu erzählen von Tröstungen und Gebetserhörungen, obwohl damals weiter nichts da gestanden als ein schmuckloses einfaches hölzernes Kreuz, an welchem die Landleute manches andächtige Vaterunser beteten.
In der Nähe vom Heiligen-Pesch wohnte auch in der letzten Hälfte des 16. Jahrhunderts ein Ackersmann Namens Herr, welcher ein gar frommer und fleißiger Mann war und eine große Familie zu ernähren hatte. Sein Land reichte nicht mehr aus, deshalb wollte er eine Haidestrecke urbar machen und benutzte zum Roden meistens die Dämmerstunden am Abend. Eines Abends im Mai hatte er mit seinem Sohne gearbeitet und die Axt geschwungen, bis es so finster wurde, daß er die Arbeit einstellen mußte.
Herr wischte sich den Schweiß vom Gesichte und sagte zu seinem Sohne: "Nun komm, wir wollen zusammen noch ein Vaterunser beten und dann nach Hause gehen." Das Gebet war kaum zu Ende, als sie von einem wunderbar schönen und lieblichen Gesang überrascht wurden, welcher feierlich aus dem Heiligenpesch herausklang. Ihre Überraschung war so groß, daß sie ganz außer sich wurden und vermeinten, einen Engelchor zu hören. Heller, augenblendender Lichtschein drang aus dem Heiligen-Pesch, als der Gesang langsam aufhörte und zuletzt wie liebliche Harfentöne verklang.
Herr faßte sich ein Herz und trat in das Gebüsch, um nach der Ursache des seltsamen Gesanges zu sehen. Als er jedoch einige Schritte getan hatte, sah er zu seinem größten Erstaunen auf einem Buchenbaumstumpfe von hellem Lichtglanz umgeben eine Muttergottesstatue mit dem Jesukinde, welches ihn holdselig anlächelte. Er rief seinen Sohn und sagte: "Komm, sieh hier, mein Sohn, welch' seltsam schönes Bild, daher auch gewiß die wunderbare Erscheinung. Es ist fürwahr ein heiliger Pesch hier, komm, laß uns noch ein Vaterunser beten," worauf sie niederknieten und ein andächtiges Pater noster sprachen, dann nahm Herr das Bild und trug es freudig nach Hause, wo seine Frau und Kinder nicht wenig erstaunten über den seltsamen Fund und sich auch darüber freuten.
"Ich bringe das seltene Bild mit nach Hause," sagte er, "weil ich es nicht schutzlos im Walde stehen lassen will, und ich hoffe, daß wir demselben ein gutes Plätzchen in unserer Hütte gönnen." Dann erzählten beide, was sie gesehen und gehört und wie sie das Bild gefunden.
Das Bild war ganz rein und sauber, schien aber sehr alt zu sein. Wie mochte es doch nur in den Pesch gekommen sein ? Niemand wußte sich das zu erklären. Frau Herr hielt es für sehr bedenklich, das Bild im Hause zu behalten und sprach ihre Meinung dahin aus, daß unser lieber Herrgott doch jedenfalls wünsche, daß die allerheiligste Jungfrau Maria verehrt werde und dafür sei doch ihr armseliges Häuschen nicht der richtige Ort. Am besten wäre es, wenn Herr am andern Tage mit dem Bilde zu den Benediktinern gehe und diese dasselbe zur Verehrung aussetzten.
Am andern Tage begab sich Herr mit einigen Nachbarn, denen er die wunderbare Geschichte erzählt hatte, zur Abtei in Gladbach und hat unter Klarlegung des Tatbestandes die Mönche, das Bild zur Verehrung auszustellen, welches diese ihm auch zusagten, sofern die kirchliche Behörde ihre Genehmigung dazu erteilen würde. Vorläufig wurde das Bild in der verschlossenen Kluft der Münsterkirche aufgestellt.
Herr und seine Nachbarn gingen frohen Herzens nach Hause und begaben sich an ihre Arbeit. Am Abend ging der Mann wieder mit seinem Sohn roden und sie vergaßen auch dieses Mal nicht, ein andächtiges Vaterunser an dem Kreuze zu beten, und siehe - genau wie am Abend vorher, nur noch herrlicher und ausdrucksvoller, schallte der Gesang aus dem Heiligen-Pesch, und als Herr wieder ins Gebüsch trat, leuchtete ihm in einem Strahlenkranze von demselben Baumstumpfe das Muttergottesbild entgegen. Er rief seine Nachbarn und zeigte ihnen das Bild, dann lief er, so rasch er konnte, zu den Mönchen und berichtete, was sich zugetragen hatte. Die Mönche glaubten ihm nicht und meinten, Herr wolle sie zum Narren halten, da das Bild wohlverschlossen in der Kluft der Münsterkirche stehe. Als jedoch Herr darauf bestand, daß er das Bild in Hehn gesehen habe, gingen einige Mönche mit ihm zur Kluft, um ihn von der Wahrheit zu überzeugen. Aber siehe da, - der Platz war leer. "Wenn unser Herrgott das Bild durch seine Engel wieder nach Hehn brigen ließ, dann soll es auch in Hehn bleiben," meinte der fromme Abt Vitus Ulricus, "wür wünschen nicht, daß es noch einmal nach Gladbach kommt. Sorgt für ein kleines Kapellchen und errichtet dieses an dem Orte, wo ihr das wunderbare Bild fandet !". Mit diesen Bescheide zog der wackere Ackersmann nach Hause und begann sofort eifrig mit seinen Nachbarn den Bau einer kleinen hölzernen Kapelle. Und als sie fertig war, wurde sie durch den Abt Vitus Ulricus von Gladbach eingeweiht und das Muttergottesbild in feierlicher Prozession dahinbegleitet. Alt und Jung von Nah und Fern, strömten bald in Prozessionen und Einzelpilgern herbei, um die heilige Gottesmutte zu verehren und Trost und Hilfe bei ihr zu suchen, sowie sie als Fürbitterin bei ihrem Sohne anzurufen. Von dieser Zeit an kannte man am ganzen Niederrhein und weit darüber hinaus den Heiligen-Pesch und sein Gnadenbild, welches dort in einer schmucklosen Kapelle verehrt wurde. Die Kapelle hat im Laufe der Zeit oft erneuert werden müssen. In der schlimmen Franzosenzeit zu Anfang dieses Jahrhunderts hatte Hehn und Heiligen-Pesch von den fremden Truppen viel zu leiden. Der Besuch des Kapellchens war von den Franzosen streng verboten, und nur Abends schlichen einzelne beherzte Bewohner hin, um ein kleines Gebet dort zu sprechen und die Gottesmutter anzurufen, daß sie die Gegend von dem französischen Gesindel befreien möge.
Die Franzosen hatten in Erfahrung gebracht, daß Abends sich oft dort stille Beter einfanden und daher wurden dort Doppelposten hingestellt, um die Beter zu ergreifen und zu bestrafen, denn in damaliger Zeit hatten die Franzosen unsern Herrgott abgesetzt, und man durfte ihn nicht mehr verehren, weil der Staat nicht damit einverstanden war.
Die Franzosen erwischten aber Niemand, erhielten wohl dann und wann von unsichtbaren Händen recht fühlbare Ohrfeigen, konnten aber keines der Überltäter habhaft werden. Wütend hierüber haben die Franzosen in einer Nacht die Kapelle zerstört und das Ganzu zu einem Schutthaufen gemacht. Als die Franzosen abgezogen waren, fand sich zur größten Freude der Bewohner unter dem Schutte das unverletzte Muttergottesbild wieder, und auf derselben Stelle wurde aus Fachwerk ein Kapellchen erbaut und unter freudiger Beteiligung der ganzen Gemeinde das Muttergottesbild dort aufgestellt.
Bis zum Jahre 1825 finden wir in allen Aktenstücken Hehn als "Haen" aber auch als "Hann" benannt; vielleicht ist die Bezeichnung auch etymologisch mit Heiligenpesch (prasculum sanctum) identisch. In einem Berichte der Meistbeerbten von Hehn aus dem Jahre 1825 an den Oberpfarrer Bischoff vom M.Gladbach heißt es: "Es wird Hochwürden auch wohl bekannt sein, daß seit undenklichen Zeiten aus der ganzen weiten Umgegend von meilenweiter Entfernung sehr viele Schaaren andächtiger Pilger zu der hiesigen Muttergotteskapelle, Heiligen-Pesch genannt, zu pilgern pflegen."
Wer weiß, wie viele Tausende von Pilgern das Gnadenbild hier verehrt haben und getröstet von dannen gezigen sind ! Der Zudrang frommer Pilger steigerte sich besonders zur Zeit öffentlicher Drangsale.
Mit der Gefangennahme des Erzbischofs Clemens August von Köln am 20. November 1837 nahm auf einmal das religiöse Leben einen neuen Aufschwung und offenbarte sich wie in allen Verhältnissen, auch in Wallfahrten und Prozessionen. In Hehn zeigte sich das auch sofort: stets war die schmucklose Kapelle umlagert, um für den teuren Erzbischof die Fürbitte der Gottesmutter anzurufen.
Im Jahre 1849 lagerten bei der damals hier schrecklich wütenden Ruhrkrankheit oft Tausende von Pilgern bis in die späte Nacht hinein das kleine Kapellchen und flehten, daß doch die gefährliche und todbringende Krankheit bald aufhören möge. Tausende Menschen fielen der Seuche zum Opfer, und die Krankheit schien der ärztlichen Zunft zu spotten. Und da man bei den Menschen keine Hilfe fand, so suchte man sie bei dem Gnadenbilde am Heiligen-Pesch, wo man die Bitten der Gottesmutter vortrug und um ihre Fürbitte flehte, worauf denn die Krankheit auch bald unsere Gegend verließ.
Hehn hatte sich im Laufe der Jahre immer mehr angebaut, und die Bewohner, welche nach Gladbach eingepfarrt waren, mußten den weiten Weg zur Kirche gehen in Regen und Schnee, Frost und Hitze. Zur Zeit, als die Benediktiner noch in der Gladbacher Abtei waren, kam wohl regelmäßig ein Pater nach Hehn, welcher dort den Kindern Religionsunterricht erteilte, und zwar bei guter Witterung unter den Buchen und Linden, welche das einfache Muttergotteskapellchen umstanden. Im Jahre 1851 gelang es nach vielen Mühen den Bewohnern von Hehn, eine eigene Kirche zu erhalten, und am 15. August desselben Jahres wurde zum Neubau er erste Stein gelegt. Nach dem Plane von Victor Statz wurde die einschiffige githische Kirche gebaut und am 4. Juni 1853 durch den Dechanten Alexander Halm von M.Gladbach eingeweiht. Dechant Halm war ein eifriger Verehrer der Mutter Gottes von Heiligen-Pesch und stiftete sich dort auch eine heilige Messe. Herr Benedikt Berchem wurde als erster Rektor dort angestellt. Einige Zeit nachher wurde die Ortschaft Wolfsittard von der Dahlenerpfarre dem Rektorate Hehn zugefügt, und dann wurde Hehn zur Pfarre erhoben. Die Pfarrkirche wurde am 26. Juni 1860 durch den hochw. Herrn Weihbischof Dr. Baudri confecrirt.
Von Sr. Heiligkeit Papst Pius IX. wurde am 4. Mai 1855 für die Octave Mariä Heimsuchung am 3. Juli und Mariä Verkündigung am 25. März ein vollkommener Ablaß gewährt für alle Pilger, welche dort die vorgeschriebene Andacht verrichten und die hl. Sakramente empfangen. Am 21. Mai 1885 ist zur Gewinnung des vollkommenen Ablasses die Mariä Heimsuchung-Octave bis Ende Juli ausgedehnt worden.
Im Jahre 1870 wurde an Stelle des armseligen Kapellchens eine neue schöne Wallfahrtskapelle erbaut und dieses reizende Kapellchen, aus der Blütezeit der Gothik, wurde im Juli 1871 unter großartiger Beteiligung der Gläubigen, welche von allen Seiten herzugeströmt waren, feierlich eingeweiht und dem erhwürdigen Madonnenbild darin ein würdiger Platz angewiesen. Das Bild ist noch immer gut erhalten, nur ist es der Sitte des vorigen Jahrhunderts entsprechend gekleidet.
Die Muttergotteskapelle hat herrliche Glasfenster mit sieben schönen Bildern, Szenen aus dem Leben der allerseligsten Jungfrau darstellend. Das Gnadenbild, in weißem Gewande, steht über einem hübschen gothischen Altare.
Die Quelle, wovon Eingangs die Rede ist, besteht auch heute noch. Neben der Kapelle befindet sich in einer hübschen mit wildem Grün überwucherten Grotte der Brunnen mit dem Wasser, welches die frommen Pilger gegen allerlei Gebrechen und Krankheiten anwenden, besonders gegen Augenkrankheiten. Es wird selbst von Andersgläubigen angewandt, und mancher ist durch den frommen Gebrauch desselben von alten Gebrechen geheilt worden. Unten an dem Brunnen befindet sich eine Statue der unbefleckten Empfängnitz.
In Hehn ist heute auch die kleine bescheidene Kirche verschwunden, und wenn die Bewohner von Hehn auch keine mit vielen klingenden Glücksgütern gesegneten Leute sind, so erhebt sich dennoch jetzt dort eine schöne große Kirche mit zwei Türmen, welche weit ins Land hinausschaut und Zeugnis ablegt von dem lebendigen Glauben und der großen Opferwilligkeit der Bewohner von Hehn.
Durch den Anbau eines Oktogons noch dem Plane des Baumeisters Julius Busch in Neuß, eines Chores und der Türme ist die Kirche, welche sich längst als zu klein erwiesen hatte, ganz umgewandelt und erweitert worden, und auch heute ist die bei großem Andrange der Pilger noch häufig zu klein.
Der 29. Mai 1890 war für Hehn ein festlicher und bedeutungsvoller Tag. Es war am Ende des wonnigen, der allerseligsten Jungfrau Maria geweihten Monates Mai. Ein herrlicher Morgen ! Lachender Sonnenschein flutete über Feld und Hain, und fröhlich trillernd steigt die Lerche zum klaren blauen Himmel empor. Fink, Drossel, Amsel und die ganze Vogelwelt singt freudig dem Schöpfer ein Loblied, und andächtig lauschen die festlich gekleideten Wanderer auf den Wegen dem munteren Gesange. Das sonst so stille Dörfchen ist heute recht belebt und lebendig und hat auch sein bestes Festkleid angelegt. Auf allen zum Dorfe führenden Wegen sieht man viele Männer, Frauen und Kinder, Jünglinge und Jungfrauen im Feierkleide daherkommen. Die mit Fahnen und Wimpeln geschmückten Türme der neuen Kirche winken uns von ferne freundlich entgegen. Warum zieht denn das festlich gekleidete Völkchen heute von allen Seiten nach Hehn ? Heute soll durch den hochw. Herrn Weihbischof Dr. Fischer die Kirche eingeweiht werden, und dieser erhabenen Feier will die unzählige Menge frommer Christen beiwohnen.
Alles freut sich, daß die Kirche fertig ist und nun die Einweihung stattfinden soll. Stolz sind sie auf ihr schönes Gottehaus, auf welchem leider noch große Bauschulden lasten, weshalb es sich für die Pilger empfiehlt, zur Ehre der gebenedeiten Gottesmutter ein Scherflein für die Kirche zu erlegen, damit die gewaltige Last die Bewohner nicht so schwer drückt. An dieser Stätte des Trostes und des Segens möge der Pilger gern ein Scherflein zu diesem Zwecke opfern. Hehn hat im Vertrauen auf die Liebe des katholischen Volkes zu unserer lieben Frau von Heiligen-Pesch die große schöne Kirche gebaut und die Pilger werden das Vertrauen wohl rechtfertigen. Das Innere der schönen Kirche in ihrer eigenartigen und doch harmonischen Bauart bildet einen herrlichen ausgedehnten Raum. Es war für Hehn keine Kleinigkeit, aus der kleinen bescheidenen Kirche ein solch großes prachtvolles Gotteshaus zu bauen.
Die großen Fenster mit ihrer herrlichen Glasmalerei, das traulich dedämpfte, aber nicht zu düstere Halbdunkel heimelt uns an und wirkt so mächtig auf den Beschauer, daß er unwillkürlich zur Andacht gestimmt wird und lebhaft empfindet, daß er hier im Hause der Allmächtigen weilt. Die gebührende Ehre und Anerkennung und Gottes reichster Segen sei all denen bescheert, die diese schöne Kirche geschaffen und um die weitere Ausschmückung derselben besorgt sind !
Die Bewohner von Hehn sind in allen Stürmen, die sich erhoben haben, treu geblieben ihrer heiligen römisch-katholischen Kirche, und die Verehrung der heiligen Gottesmutter hat nicht ab-, sondern in den letzten Jahren noch immer zugenommen. Durch die eifrigen Bemühungen des hochw. Herrn Pfarrers Jöbges zu Hehn, welcher zur Entfaltung der Verehrung der allerheiligsten Jungfrau Maria vieles beigetragen hat, ist es auch möglich geworden, ein Meisterwerk seltener Art zu schaffen, um die Verehrung der hl. Gottesmutter noch eifriger zu fördern. Es erhebt sich dort eine herrliche Lourdes-Grotte, genau wie die Grotte zu Lourdes in den Pyrenäen. Sie ist aus weißem Tuffstein erbaut. In der bekannten Kirche sehen wir die Statue unserer lieben Mutter Maria, wie sie dem gottbegnadeten Kinde Bernadette zu Lourdes in Frankreich erschienen ist, auch ist die Bernadette zu finden.
So hat die Muttergottes dort gestanden und mit der Bernadette gesprochen, und auf das Geheiß derselben hat Bernadette im Sande gescharrt, und eine Quelle ist dort entsprungen, welche bis auf den heutigen Tag dort fließt. Durch den frommen Gebrauch des Wassers dieser Quelle sind bekanntlich Tausende von allerlei Gebrechen und Krankheiten geheilt worden. Im Pfarrhause zu Hehn ist stets Lourdeswaser vorrätig und wird gerne gegen ein Almosen an die Pilger verabreicht.
Ferner finden wir eine hübsche Grotte des heiligen Rochus sowie eine unvergleichlich schöne, großartig angelegte Grotte zum Emporsteigen, um an den 14 Nothelfern vorbei zu passiren und das alles beherrschende Zeichen unserer Erlösung zu begrüßen und zu verehren, während unten die ergreifend schöne Pieta von Achtermann und der Heiland im Grabe ausgestellt ist.
Wegen des geringen mir zugemessenen Raumes kann ich leider für heute nicht näher darauf eingehen.
Der Platz vor der Kirche und um die Grotte ist mit schönen Lindenbäumen umgeben. Es macht einen tief ergreifenden Eindruck, wenn man Personen aus allen Ständen durcheinandergewürfelt niederknieen sieht auf dem Platze vor der Kapelle der allerheiligsten Gottesmutter, zu welcher alle voll Vertrauen und hoffnungsvoll aufblicken.
Möge es immer so bleiben, möge die Gottesmutter den Pilgern ein geneigtes Ohr leihen, und mögen die frommen Pilger Segen an Leib und Seele dort empfangen, für Zeit und Ewigkeit !