Hehn und seine Vierzehn Nothelfer (2)

Eine heimatgeschichtliche Plauderei von Helmut Köhnes

Quelle: Abdruck mit freundlicher Genehmigung des "Rheindahlen Almanach '98"

Damit aber war es nicht genug. Gut zwei Jahrzehnte später, im Jahre 1894, wurde auf dem Gelände der Pfarrkirche eine Lourdes - Grotte und neben der Kirche eine Rochus-Grotte erbaut. Über diesen Heiligen, nebenbei den Pfarrpatron von Broich-Peel, möchte ich hier einmal hinwegsehen. Zur Madonna von Lourdes habe ich desto mehr anzumerken. Wie kann es sein, daß Maria vor rund hundert Jahren in unserer Heimat gerade in der Gestalt vor Augen geführt wurde, in der sie, so hörte man, in einem abgelegenen Pyrenäenort erschienen war? Immerhin haben dieselben Leute, die im Liede behaupteten, "siegreich Frankreich schlagen" zu wollen, vor einer Darstellung gebetet, die der Beschreibung der "Dame" entsprach, wie sie ein kleines französisches Mädchen, Bernadette Soubirous, im Jahre 1858 gegeben hatte. Solche Figuren sieht man auch in Rheindahlen. Eine steht im Ortsteil Sittard, eine weitere findet sich auf dem Gelände des Krankenhauses am Südwall. 

Ich möchte annehmen, daß bei der Wertschätzung der Madonna von Lourdes neben der althergebrachten Frömmigkeit auch politische Strukturen unserer Heimat eine Rolle spielten.

Im Jahre 1854 hatte der Vatikan die absolute Einzigartigkeit Mariens dogmatisch festgeschrieben. Maria ist danach eine Ausnahmeerscheinung unter allen Menschen, und das vom ersten Augenblick ihrer Existenz an. St. Mariae Empfängnis: Die damals "jungen" Pfarrkirchen in Lürrip und in Venn tragen diesen Namen. Die "Dame" aus der Pyrenäen-Höhle hat sich der Überlieferung nach geradezu mit diesem Titel vorgestellt.

Bei dieser Setzung konnte das katholische Volk des Niederrheins unschwer mithalten.
Im Jahre 187o deklarierte allerdings der Papst mit unfehlbarer Sicherheit, unter gewissen Bedingungen und in bestimmten Bereichen eben unfehlbar zu sein. Dieser anspruchsvolle Lehrsatz hat die deutschen Katholiken hart strapaziert. Er hat aber vor allem die evangelisch-konservative Bismarck-Regierung in ihrem Staatsverständnis berührt.Katholiken, die so etwas annahmen, wurden zu "Ultramontanisten", zu Leuten, die sich mit dem Blick über die Alpen nach Rom statt mit dem Blick über die Elbe nach Berlin ausrichteten.
Nun waren die Rheinländer ja nur "Muß-Preußen", und das erst seit sechs Jahrzehnten. Durch anschaulich gemachte Romtreue konnte man also seine katholisch-rheinische Selbständigkeit zeigen.
Für den Klerus gab es damals besondere Probleme. Über zwei Hehner Pfarrherren, die Pastöre Berchem und Bertram, kann man nachlesen, daß sie zeitweise "staatlich gesperrt" waren, der erste seit seiner Versetzung, die ihn im Jahre 1873 von Hehn wegführte, der zweite vom Jahre 1874 an. Das bedeutete folgendes: Damals mußte der zuständige Oberhirte, hier also der Kölner Erzbischof, Ernennungen von Pastören den preußischen Behörden anzeigen. Unterblieb diese Mitteilung, sah die weltliche Macht das geistliche Amt als "rechtswidrig übertragen" an. Die Kirche widersetzte sich dieser Vorschrift auf allen Ebenen ihrer Hierarchie. Von Seiten des Staates erfolgten dann Verhöre, Strafen und Restriktionen gegen den jeweiligen Pfarrer. Er erhielt das Verbot, geistliche Amtshandlungen durchzuführen.
Hinter solchen Auseinandersetzungen steckten letztlich unvereinbar erscheinende Autoritätsansprüche zweier mächtiger Institutionen. Die Summe dieser damaligen Vorfälle wird üblicherweise mit einem nicht sehr glücklichen Wort als "Kulturkampf" bezeichnet. Es ist belegt, daß Pfarrer Bertram "die Jahre seiner erzwungenen Muße" zu einem intensiven Studium sozialer Fragen nutzte. Bereits vor 1890, dem Jahr der Gründung des "Volksvereins" in M. Gladbach, veröffentlichte er dazu vier seinerzeit stark beachtete Schriften. Erst im Jahre 1886 konnte er - Kirche und Staat waren zu einem "modus vivendi", zu einer für beide Seiten erträglichen Übereinkunft gekommen - seine Leitungsfunktion in St. Mariae Heimsuchung wieder voll aufnehmen.
Es erscheint verständlich, daß im Laufe dieser Jahre die Zahl der Marienpilger zurückgegangen war. Als zusätzlichen Anziehungspunkt errichtete man in Hehn deswegen im Jahre 1895 die Grotte der vierzehn Nothelfer.
Auch hier möchte ich wieder auf einen möglichen "ultramontanen" Zusammenhang hinweisen: Erst im Jahre 1890 war der eigentümliche Nothelfer-Kult, von dem man kirchlicherseits in der nachreformatorischen Zeit stark abgerückt war, vom Vatikan wieder propagiert worden, und das hat Pfarrer Joebges, der seit 1888 im Amt befindliche Nachfolger zweier "gesperrter" Amtsvorgänger, mit Sicherheit registriert.

Achatius
Der Helfer gegen Todesangst und Todesqual.

Darstellung:
Achatius von Armenien als römischer Legionär, mit Dornenkrone oder Dornenbusch

Kirchenlexikon
ACHATIUS (Agathius, Acacius), Märtyrer, Heiliger, einer der 14 Nothelfer. - A. stammte aus Kappadozien und war Hauptmann im kaiserlichen Heer. Er wurde nach grausamen Martern 303/304 in Konstantinopel unter Maximian hingerichtet. - Fest: 7. Mai.

Blasius
Patron der Bäcker, Gerber, Maurer, Steinmetzen und Ochsenhirten, befreit von allen Halsleiden.

Darstellung:
Blasius von Sebaste als Bischof mit Kerze(n), evtl. mit Wolf und/oder Schwein, dargestellt

Kirchenlexikon
BLASIUS, Bischof von Sebaste (Armenien), Märtyrer, Heiliger, † angeblich 316 in der Christenverfolgung unter Licinius, wahrscheinlich aber unter Diokletian. - B. wurde mit einem eisernen Kamm zerfleischt und dann enthauptet. Noch im Kerker - so berichtet die Legende - hat er an verschiedenen Kranken seine wunderbare Heilgabe erfolgreich ausgeübt, u. a. auch an einem Knaben, der wegen einer verschluckten Fischgräte dem Ersticken nahe war. B. ist einer der volkstümlichsten Heiligen, einer der 14 Nothelfer, Schutzpatron gegen Halsübel. An seinem Gedenktag wird der B.-segen mit eigener Benediktionsformel erteilt, während man zwei geweihte Kerzen in Form des Andreaskreuzes vor den Hals hält. Die Reliquien des B. kamen nach Paris, St. Blasien (Schwarzwald) und Ragusa (Dalmatien). Fest: 3. Februar, bis zum 11. Jahrhundert 15. Februar, im Orient 11. Februar.

Cyriakus
Der große Teufelsbändiger, weist alle Angriffe des bösen Feindes zurück.

Darstellung:
Cyriakus von Rom Diakon mit Buch, Palme, Schwert, evtl. mit gefesseltem Drachen

Kirchenlexikon
CYRIACUS: hl. Märtyrer in Rom, gest. um 304, Fest: 8.8. - Er wird in der Depositio Martyrum des Chronographen von 354 mit einer Gruppe von 5 Gefährten erwähnt: »et Ostense VII ballistaria Cyriaci Largi Crescentini Memmiae Iulianetis et Ixmaracdi«. Nach dieser Auskunft befand sich also sein Grab an der Via Ostiensis, an der »7. ballistaria«, nach A. P. Frutaz »bei dem zur Verteidigung des Tiber errichteten 7. Kasernenstützpunkt.« - Und in der Tat, wie A. P. Frutaz zu berrichten weiß, kam 1915 am 7. Meilenstein der Via Ostiensis ein kleiner Landfriedhof ans Licht, den schon A. Bosio am 4. Mai 1607 erwähnte. Hier hat Papst Honorius I. (gest. 658) auch eine kleine Kirche errichten lassen. - Von C. und seinen Gefährten sind nur die Namen erhalten. Im 9. und 10. Jh. wurden ihre Reliquien in die Stadt gebracht. Ein Teil soll in den Titulus des Marcellus gebracht worden sein. Unter Otto d. Gr. kam eine Armreliquie nach Bamberg, andere Reliquien gelangten schon 874 nach Neuhausen bei Worms. Zur Verehrungsgeschichte des C. und seiner Gefährten bemerkt A. P. Frutaz: »Der hl. Cyriacus und seine Gefährten, die in der Depositio genannt werden, sind am 8. August im Martyrologium Hieronymianum erwähnt, in den historischen Martyrologien und im Martyrologium Romanum. Dagegen enthalten die alten liturgischen Bücher, z. B. die nach der Art des Gregorianums und die Gelasiana des 8. Jh. allein den Namen des hl. Cyriacus. Die beiden Gefährten Largus und Smaragdus erscheinen nur in den Missalen der Kurie des 13. Jh., von welchem sie das Missale Romanum übernommen hat.« (LThK2 Bd. III, Sp. 118). - Die Verehrung des C. ist für Rom, wie gesagt, bereits für das Jahr 354 bezeugt. Weiters wird er in Italien besonders in Ancona verehrt. In Deutschland hat seine Verehrung begonnen in Neuhausen bei Worms, wohin bereits 874 Reliquien kamen. Von dort verbreitete sich sein Kult nach Speyer und Lorsch und seit dem 10. bzw. 11. Jh. nach Erich Wimmer »über weite Gebiete Mitteldeutschlands, Westfalens und am Oberrhein. Otto I. brachte Reliquien nach Bamberg, andere kamen 1049 in die Abtei Altdorf im Elsaß. In Franken mag sich der Kult, ausgehend von Würzburg, seit der Schlacht bei Sulzfeld a. M. am Cyriakus-Tag 1266, verstärkt haben.« (LThK3, Bd. II, Sp. 1368). - Als einer der Vierzehn Nothelfer wird er angerufen bei Besessenheit, bei Anfechtungen des Bösen, bei schweren Arbeiten und als Beistand in der Sterbestunde. In der Kunst wird er dargestellt als Diakon mit einem gefesselten Drachen oder dem Teufel unter den Füßen. Eine der ältesten Darstellungen des C. findet sich auf einem Fresko in S.Prassede zu Rom (9. Jh.). Berühmt ist auch eine Skulptur von Tilmann Riemenschneider im Landesmuseum zu Hannover aus dem Jahre 1510.

Dionysius
Patron der Soldaten, bewahrt vor Kopf und Nervenleiden, besonders in der Kriegsgefahr.

Darstellung:
Dionysius von Paris Bischof, evtl. mit eigenem Haupt in den Händen

Kirchenlexikon
DIONYSIUS von Paris, Märtyrer, Heiliger, † um 285. - Bischof Gregor von Tours († 594) berichtet in seiner "Historia Francorum", D. sei in Italien geboren, um die Mitte des 3. Jahrhunderts mit 6 anderen Bischöfen von Rom nach Gallien gekommen und als der erste Bischof von Paris mit dem Schwert hingerichtet worden. Die Sage erzählt, D. habe nach der Enthauptung seinen Kopf selber an die Stelle getragen, an der er von einer frommen Frau, Catulla, begraben worden sei. Die Hinrichtungsstätte nannte man später mons martyrum (Montmartre). An seiner Grabstätte erbaute man im 5. Jahrhundert eine Kirche. Dagobert I. gründete dort 623 oder 624 die Benediktinerabtei St. Denis und wurde 638 in der Kirche begraben, in der 25 Könige, 10 Königinnen und 84 Prinzen und Prinzessinnen beigesetzt wurden. - D. ist der Nationalheilige der Franzosen und einer der 14 Nothelfer und sein Gedenktag der 9. Oktober. Hilduin, seit 815 Abt von St. Denis, identifizierte in seiner Lebensbeschreibung des D. diesen mit Dionysius Areopagita, dessen Werke Ludwig der Fromme 827 durch eine byzantinische Gesandtschaft als Geschenk des Kaisers Michael Balbus (820-829) erhalten hatte. In diesem Irrtum blieb das ganze Mittelalter befangen, obwohl Peter Abaelard (1079-1122), Jacques Sirmond (1559-1651), Jean de Launoi (1603-78) u. a. widersprachen.