Die Grotte der Vierzehn Nothelfer

Rechts von der Lourdesgrotte schließt sich die Grotte der Vierzehn Nothelfer an, die Ende 1894 fertig gestellt wurde. Sie galt den Zeitgenossen als eine „unvergleichlich schöne, großartig angelegte Grotte zum Emporsteigen, um an den Bildern der Vierzehn Nothelfer vorbei zu gehen und das alles beherrschende Zeichen der Erlösung zu verehren.“ Im „unteren Gewölbe der Grotte“, so hieß es weiter in dem hier zitierten Zeitungsbericht, seien… „die ergreifend schöne Pietà von Achtermann und der Heiland im Grabe ausgestellt“.

Die Vierzehn Nothelfer wählte Pfarrer Jöbges vermutlich, um daran zu erinnern, dass für alle Nöte und Probleme nach katholischer Überzeugung Heilige als Fürsprecher angerufen werden können. An ihnen vorbei steigt der Pilger empor zum Kreuz an der höchsten Stelle der Grotte. Das Hinaufsteigen von Stufe zu Stufe versinnbildlicht das Erdenleben, das wie eine schrittweise Pilgerfahrt zur ewigen Seligkeit in Himmelshöhen erscheint.

An ihrem Ende steht die durch den Kreuzestod Christi verheißene Erlösung von allen Nöten dieser Welt. Die Pietà verweist auf die im Kreis der Heiligen unvergleichliche Maria, die Mittlerin aller Gnaden. Sie ist somit die 15. Nothelferin. Christus im Grab deutet schließlich auf das Ziel vieler Pilger hin, das heilige Grab in Jerusalem, aber auch auf das Hinabsteigen Jesu in das Reich der Toten und die Auferstehung am dritten Tag.
Dieser Auferstehungsglaube ist eng mit der Muttergottesverehrung verbunden: Der hl. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, war fest davon überzeugt, dass der Auferstandene zuerst seiner Mutter erschienen sei. So schließt sich der Kreis. Zu erwähnen bleibt, dass es das Grab heute nicht mehr gibt und die Pietà mit dem bekannten Bildhauer Wilhelm Achtermann (1799-1884) nichts zu tun hat. Aber auch diese Figur und das Kreuz auf dem höchsten Punkt der Grotte lassen den ursprünglichen Sinn der Anlage immer noch erkennen.

Die Vierzehn Nothelfer

Die Vierzehn Nothelfer in Hehn sind Terrakottafiguren und typische Produkte der Volkskunst. Über ihre Herkunft ist ebenso wenig bekannt wie der Grund, warum Pfarrer Jöbges diese Gruppe der Heiligen, die man eher in Süddeutschland vermutet, ausgewählt hat. In Vierzehnheiligen (Bad Staffelstein/Kreis Lichtenfels) in Franken ist der Kult seit dem 15. Jahrhundert bekannt und hat sich von dort weiterverbreitet. Im Bistum Aachen ist für Loverich (Stadt Baesweiler/Kreis Aachen) eine mittelalterliche Verehrung belegt.

Die Vierzehn Nothelfer sind in Hehn in folgender Reihenfolge, wenn man vor der Grotte steht und links hochgeht, aufgestellt worden:

  • Barbara (Fest am 4. Dezember): dargestellt mit Kelch, Turm und Palme, angerufen gegen jähen Tod, Blitz, Feuer und Fieber. Patronin der Bergleute, Schmiede, der Feuerwehr u.a.m.
  • Katharina von Alexandrien (Fest am 25. November): dargestellt mit Schwert und Buch, angerufen bei Migräne und Zungenkrankheiten. Patronin der Mädchen, Buchdrucker, Gerber, Müller, Seiler, Tuchhändler u.a.m.
  • Margareta von Antiochia (Fest am 20. Juli): dargestellt mit Kreuz und Schwert, angerufen bei Geschlechtskrankheiten, Unfruchtbarkeit und Wunden. Patronin der Bauern und Gebärenden.
  • Pantaleon (Fest am 27. Juli): dargestellt mit Schwert und Arzneiflasche in der Hand, angerufen bei Kopfschmerzen, gegen Heuschrecken, bei Viehkrankheiten. Patron der Ärzte und Hebammen.
  • Cyriakus (Fest am 8. August): dargestellt als Diakon mit Schwert, angerufen bei schwerer Arbeit, gegen Frost, schlechtes Wetter, Besessenheit und Anfechtungen in der Todesstunde. Patron der Zwangsarbeiter und des Weinbaus.
  • Vitus (Fest am 15. Juni): dargestellt als Jüngling mit Palme und Hahn, angerufen gegen Besessenheit, Bettnässen, Blindheit, Feuer, Tollwut, Unwetter Schlangenbiss. Patron der Stadt Mönchengladbach.
  • Eustachius (Fest am 20. September): dargestellt mit Hirsch und Pfeil, angerufen in verzweifelten Situationen. Patron der Jäger, Förster, Tuchhändler.
  • Dionysius (Fest am 9. Oktober): dargestellt als Bischof mit Stab und Schwert, angerufen gegen Gewissensängste, Kopfschmerzen und Tollwut. Patron der Schützen. Die Hehner Darstellung weicht von der üblichen ab, die den Heiligen mit dem Kopf auf dem Arm zeigt. Vermutlich war sie dem Künstler zu schwierig und er verwendete eine einfachere Darstellung.
  • Georg (Fest am 23. April): dargestellt als Ritter mit Schild und Schwert und einem Drachen, angerufen gegen Beschimpfungen, Fieber, Kriegsgefahr, Lepra, Pest. Patron der Böttcher, Reiter, Sattler,
    Schützen, Wanderer, Pferde u.a.m.
  • Achatius (Fest am 22. Juni): dargestellt als Bischof mit einem Dornstrauch in der Hand, angerufen gegen Todesangst, für Stärkung in Zweifeln. Patron bei schweren Krankheiten.
  • Erasmus (Fest am 2. Juni): dargestellt als Bischof mit Schiffswinde, angerufen gegen Unterleibskrankheiten, Krämpfe, Viehseuchen. Patron der Drechsler, Seeleute, Weber.
  • Blasius (Fest am 3. Februar): dargestellt als Bischof mit zwei verflochtenen Kerzen, angerufen gegen Halskrankheiten, Kinderkrankheiten, Pest, Zahnschmerzen. Patron der Ärzte, Gerber, Hutmacher, Maurer, Schuster, Seifensieder, Weber.
  • Aegidius (Fest am 1. September): dargestellt mit Stab und Horn, angerufen gegen Dürre, Feuer, Sturm, Verlassenheit. Patron des Viehs, der stillenden Mütter, der Aussätzigen, Hirten. Er ist der einzige Nichtmärtyrer unter den Vierzehn Nothelfern.
  • Christophorus (Fest am 25. Juli): dargestellt mit Baum in der Hand, das Jesuskind auf der Schulter, angerufen gegen jähen Tod, Hochwasser, Unwetter, Hungersnot, Pest, Wunden, Zahnschmerzen. Patron der Schiffsleute, Pilger, Reisenden, des Verkehrs, der Buchbinder, Färber, der Zimmerleute u.a.m.

Liest man die Anrufungen, die sich aus der jeweiligen Lebensgeschichte der Heiligen ergeben, so fällt das Fehlen moderner Krankheiten wie Herzleiden, Krebs, Diabetes u.a.m. auf. Dies hängt damit zusammen, dass die Verehrung der Nothelfer, die bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen soll, in einer Zeit entstanden ist, in der es diese Krankheiten zwar gab, aber noch nicht differenziert erkannt worden waren. Dafür erscheint die Pest, eine der Geißeln des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, die heute kaum noch auftritt.
Zudem vermisst man unter den Patronaten, die sich ebenfalls aus der Lebensgeschichte der Heiligen erklären lassen, viele moderne Berufe, weil sie bei der Entstehung des Kults noch nicht bekannt waren. Andere Berufe gehören längst der Vergangenheit an wie etwa die Böttcher, Seifensieder oder Seiler. Unübersehbar sind die vielen Viehpatrone. Darin schlägt sich nieder, dass die Verehrung der Nothelfer in einer noch landwirtschaftlich bestimmten Gesellschaft entstanden ist, in der die Sorge um die Gesundheit der Tiere zum Alltag gehörte.

Warum diese Heiligen noch verehren?

Heute darf man sich fragen, was diese Heiligen, von denen einige aus dem kirchlichen Kalender gestrichen worden sind, den Menschen noch sagen können. Sie können uns mit ihrer Lebensgeschichte beispielhaft zeigen, dass es einen Sinn hat, wie sie das Kreuz auf sich zu nehmen. Sie vermögen, die „Hilfe des Trostes“ zu spenden und uns fähig zu machen, „unveränderliche Dinge anzunehmen“ (H. Fürst). Inzwischen versteht man die Verehrung der Heiligen als Bildung einer „Gemeinschaft der pilgernden Kirche“ auf Erden „mit den bereits Vollendeten“ (T. Baumeister). Sie ist keine Konkurrenz
zu der „allein Gott zustehenden anbetenden Verehrung“ (G. L. Müller). Das machte die Hehner Vierzehnnothelfergrotte schon immer offensichtlich, in dem sie durch Kreuz und Pieta auf Christus hinwies.
Die Hehner Grotten bestehen seit mehr als hundert Jahren. Sie sind ein Zeugnis der Volksfrömmigkeit, zu der viele Menschen keinen Zugang mehr haben und die u.a. wegen der Verwendung von kaum zu verstehenden Symbolen und Riten und der Betonung von Gemüt und Gefühl nicht unproblematisch ist. Dennoch sind sie ein Erbe, das uns über das Leben unserer Vorfahren unterrichtet und immer noch zum Gebet anregen kann.